Kommentar

Warten, bis es sich aufdrängt…

Man geht auf eine Eröffnung, findet kaum eine Überraschung, unterhält sich mit einigen Leuten und geht wieder nach Hause. Warum ist das so furchtbar langweilig? Und warum fange ich an zu denken, das sei normal?

Datum

09.05.2019

Autor/in

Johanna Failer

Ich habe eine schöne Bekanntschaft gemacht. Wie selbstverständlich sprachen wir über Kunst. Er selbst schreibe, aber keine Kurzgeschichten. Er sammle mehr, tagebuchartig, und natürlich würde er gern mal einen Roman schreiben. Aber - und sagte er etwas sehr einfaches und gutes: Man müsse warten, bis es sich aufdrängt.*

Wenn ich an Kunst und ihre Zurschaustellung denke, winkt mir nun dieser Satz.
Es gibt, auch in Dresden, viele Beispiele von Ausstellungen, bei denen die Dringlichkeit fehlt. Ich habe oft das Gefühl, dass das, was drängt, nicht Ideen und Arbeiten sind, sondern allenfalls der Wunsch, wieder von sich reden zu machen. Deswegen sind die Ausstellungen auch oft so langweilig.
Warum macht sich jemand die Arbeit, eine Ausstellung zu organisieren, zu bewerben und aufzubauen - auch dort, wo kein Verkauf in Aussicht steht? Warum ist es Künstlerinnen und Künstlern wichtig, das zu tun?
Einen Raum zu schaffen für eine kollektive Erfahrung, für das Experimentieren mit Arbeiten und ihre Zurschaustellung, das ist ein guter und gerechtfertigter Anlass. Auch eine misslungene Ausstellung muss nicht schlecht sein. Man hat dann vielleicht mehr zum geistigen auseinanderklamüsern, das
ist gewinnbringend, im Gespräch sogar erquickend. Es gilt also: Ja zu Experimenten!

Was man oft beobachten kann ist aber das Gegenteil von Experimentieren. Vielmehr wird sich auf eine Ausstellungs-Konvention versteift, die fortlaufend reproduziert wird: Das schon oft Gezeigte wird in verschiedenen Abwandlungen wiederholt, mit noch mehr und noch bunteren Flyern beworben und schnieke
betitelt. Dann geht man auf eine Eröffnung, findet kaum eine Überraschung, unterhält sich mit einigen Leuten und geht nach Hause. Das Schlimme daran ist, dass ich anfange zu denken, das sei normal.

Dabei ist alles verdreht, wenn die Kunst nicht mehr Anlass ist, auszustellen, sondern der Wunsch, mal wieder eine Ausstellung zu machen Anlass wird, einen Raum mit irgendetwas Künstlerischem auszustaffieren.

Natürlich sagt keine*r gerne Nein zu einer Ausstellungsmöglichkeit. Ausstellungen sind geradezu ein Maßstab der künstlerischen Aktivität. Dabei kann man sehr viele Ausstellungen machen und ziemlich wenig Kunst. Wenn es darum geht, erfolgreich mit der Kunst zu sein, müssen die Maßstäbe von Erfolg dringend überdacht werden. Nicht-Mitmachen ist immer eine Alternative.

Werke müssen reifen, sie müssen sich weiterentwickeln. Wer das einsieht, kann sich auf ehrliche, gute Kunst konzentrieren. Unter dem ständigen Druck, seinen Namen wenigstens in Dresden immer und immer wieder präsent zu machen, geht das nicht. Dabei ist doch eines klar: Wenn es nicht so sehr um den Namen ginge, sondern tatsächlich um die Arbeiten, täte das am Ende sogar dem Namen gut. Man braucht nur ein wenig Geduld und Weitblick. Den Unterschied zwischen dem Zeigen aus einer Dringlichkeit heraus und dem Sich-
Zeigen, diesen Unterschied fühlt man - da bin ich mir sicher.

* Bei einem spontanen Druck, Kunst zu produzieren, könne man
immer auch in eine Bar gehen und sich wieder beruhigen.

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