Rezension

VOR DER KUNST.

Eine Ausstellung des Projektes „Körper und Malerei“ an der Hochschule für Bildende Künste Dresden.

Datum

20.06.2019

Autor/in

Daniel Rode

Ausstellungsort

Oktogon der HfBK Dresden

Künstler

Studierende der HfBK Dresden (1950-1990)

Ausstellungstitel

Vor der Kunst. Malerei in der Kunsthochschule Dresden von 1950 bis 1990

Ausstellungsdauer

10.5. bis 23.6.2019

Was muss das für eine Zeit gewesen sein? Und bevor jetzt gleich jemand fragt, ja,
ich bin alt genug, ich habe es erlebt. Also vielleicht besser, was war das für eine
triste Zeit!
Mit dem Besuch einer Ausstellung mit Diplomarbeiten der Malerei aus der Zeit 1950-1990 der Dresdner Kunsthochschule hegt man keine großen Hoffnungen auf das Betrachten sprühenden Lebens. Und doch war ich ziemlich geschockt von der Düsterkeit dieser Ausstellung, obwohl sie kuratorisch gut gemacht und gehängt ist. Leere Gesichter, dunkle, gebrochene Farben, immer wieder ähnliche Szenen aus dem Alltag der Arbeiterklasse. Kaum Dynamik, kaum lebendige Gesten, starre Körper, Bewegungen scheinen eingefroren, Personengruppen dominieren vor Individualität, flache Bilder mit Fronten aus Leibern ohne Raum… Eigentlich darf es nicht wundern, es gab offensichtlich klare Themenvorgaben für solche studentische Projekte, und doch ist die Beschneidung und Gleichschaltung der Kunst, die eigentlich frei und ungebändigt sein muss, überdeutlich zu sehen und bedrückend.

Und dann dieses eine Bild!

Es fiel mir sofort auf, eine Sensation in der diktatorischen Düsterkeit. Das Bildnis eines Jungen. Es hat alle Merkmale, damit es nicht zensiert wird, strebsamer Jungpionier, aufgeschlagene Bücher, ein Globus, brav auf Osteuropa und Afrika gedreht. Aber da wird es schon interessant, denn die dem Jungen zugewandte Seite der Welt ist eine andere… Seine Haltung, großartig: lässig und entspannt, unter dem Tisch ahnt man den perfekten Kontrapost, die Arme vertrauensvoll offen, er nimmt selbstbewusst den Bildraum ein, ohne sich unmäßig breit zu machen. Und der Blick… schon woanders, am Betrachter vorbei raus aus dem Bild, ganz ruhig und sanft. Der Gesichtsausdruck hat viel von dem, was ich von Kunst erwarte, Offenheit! Und ich kann mir leicht vorstellen, dass vier Betrachter vier Gesichter erinnern werden: ein leise lächelndes, ein trauriges, ein verhalten optimistisches, eines an der Grenze zur Resignation. Diese Aufzählung ließe sich leicht fortsetzen. Ich schaue auf den Begleitzettel: Karl-Heinz Adler! Wunderbar! Man sieht dieser frühen Arbeit (von 1950) schon an, dass dieser Künstler auf dem Weg zu etwas ganz anderem ist, er scheint schon jetzt frei von vielem zu sein! Diese Ausstellung war den Besuch wert! Wegen dieses einen Bildes und wegen der heilsamen Erinnerung an eine, Gott sei Dank, vergangene Zeit.

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