Kommentar

Symposium "Mohr" mit Mineralien

Besser spät als nie: ein Kommentar zum Symposium "Mohr" mit Mineralien - zeitgenössische Perspektiven auf ein historisches Objekt im Grünen Gewölbe.

Datum

22.07.2019

Autor/in

Flora Patrix

Veranstaltungsort

Grünes Gewölbe

Veranstaltunsdatum

21. Juni 2019

Künstler

Bertram Haude

Eingeladen hatte Kerstin Flasche, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HfBK Dresden, um die verschiedenen kunsthistorischen Ansätze über die Intervention des Künstlers Bertram Baude zu beleuchten. Eingeladen waren Prof. Dr. Dietmar Rübel, Prof. Dr. Dirk Syndram, Prof. Mineraloge Dr. Klaus Thalheim, Dr. Christiane Schürkmann, Prof. Dr. Tahani Nadim, Cornelia Wagner und Bertram Haude selbst; und natürlich hielt Kerstin Flasche einen Vortrag über die Nutzung von Mineralien in der Kunst im Grundsätzlichen, was auch Thema ihrer Dissertation sein wird.

Wichtig war, zu klären, warum beide Substantive im Titel der Intervention durchgestrichen sind. Dieser Idealmensch, von der Größe her vergleichbar einem Menschenmodell, womit Kinder durchaus im Puppenwagen spielen könnten, hat alle Merkmale von Exotik, die man sich zu Zeiten Augusts des Starken, Auftraggeber der Skulptur vorstellen konnte. Die Hautfarbe, die Tattoo-Auswahl, der Schmuck, die gesunde Körperhaltung und -form entsprechen auch für unsere heutigen Verhältnisse einem Menschentyp um den man sich keine Sorgen zu machen braucht. Somit ist der weiße europäische Landeroberer aus der Verantwortung heraus und denkt nicht kritisch über etwaige Plünderungen nach.

Der „falsche“ Mohr steht auf einen Podest, so dass seine Augenhöhe grosso modo auf Brusthöhe des Betrachters kommt. Sein Kopf ist nach oben geneigt, der Gesichtsausdruck offen, die Pupillen weit aufgerissen, er blickt zu uns und kurzgefasst, er strahlt seinen Betrachter förmlich an. Durch die Fußstellung und die nicht ganz symmetrische Brustkorb/ Armhaltung wird eine Bewegung suggeriert in Richtung seiner Augen, sprich: zu uns.

Wenn in der Kunst Menschen abgebildet werden, dann ist deren Funktion innerhalb ihrer Gesellschaft mit abgebildet. Ist der Abgebildete dick oder dünn, muskulös oder intellektuell (ja, es gibt eine Priorisierung), welche Mode trägt er, welche Accessoires trägt er an sich, und wie ist des Weiteren der Raum um ihn geschaffen, gibt es überhaupt einen Raum um ihn? Bei Skulpturen von Menschen wird nicht nur die Funktion dargestellt, sondern auch dem antiken Anspruch des Laokoons folgend, der Zenit.

Ob nun Smaragde oder künstlich hergestellte Steine, who cares?

Ein Vergleich: es gibt eine Skulptur von Anne de France, ganz aus Holz, ich sah sie im Schaufenster eines Pariser Galeristen, nachts durch die heruntergelassenen Gitter. Sie ist viel kleiner, etwa 30cm hoch, ganz aus Holz, auch ihre Attribute, alles scheint aus einem Stück Holz geschnitzt worden zu sein. Sie ist voller Entschluss, die Textilien sind in voller Bewegung, sie ist in einem Moment der Drehung festgefroren. Ihr Gesicht ist leicht nach unten gedreht, sie ist nicht in Kontakt mit dem Betrachter. Nun ja, was haben diese zwei Skulpturen miteinander zu tun? Sie stammen aus derselben Epoche. Der eine ist ein Ideal, die andere eine idealisierte Persönlichkeit. Und beide ob nun mit oder ohne ihre Attribute absolut sehenswerte Beiträge für heute und morgen.

Nun ging es im Symposium nicht nur um die Klärung des Menschentypus, sondern auch um die Attribute - das was der Mohr in den Händen hält und dem Betrachter voller Freude hinhält. Das Tablett ist im Vergleich zur Körpergröße recht mächtig. Darauf befindet sich wie wir erfahren ein künstlich vom Künstler hergestellter Stein, in dem Smaragde eingearbeitet sind. Es sind vier übrig, es waren wohl mehr enthalten. Sie sind roh, ungeschliffen, und ihr Wert ist nur dadurch gekennzeichnet, dass wir in der Präzision der Materialverwendung erfahren, dass es sich um Edelsteine handelt. Die Handlung suggeriert unmissverständlich, wie leicht es wohl ist, Edelsteine in dem fernen, exotischen Land des „Mohren“ zu finden.

Bertram Haude hat die Intervention wohl bereitet. Es gibt einen Hinweis im Audioguide, der Titel wurde auf sein Wunsch geändert, und die - wie wir noch erfahren werden - nicht echten Mineralien sind vom Künstler auf das Original Tablett gelegt worden und ersetzten den Steinbrocken mit den Smaragden. Es ist eine Auswahl an Mineralien, die alle auf Unbedenklichkeit hin vom Institut für Mineralogie von Prof Dr. Klaus Thalheim ausgesucht wurden und Bertram Haude hat sie platziert.

Nun hat sich der Rätsel gelöst, es ist kein Mohr, und warum sind das keine Mineralien? Weil sie durch den Eingriff des Menschen in den letzten zweihundert Jahren durch Ablagerungen und Umschichtungen sich bildeten und in ihrer chemischen Zusammensetzung eine völlige Neuheit darstellen. Der Mensch hat bis jetzt kein Bedarf für diese sogenannten anthropogenen Mineralien gefunden, sie werden katalogisiert, archiviert.

...ermöglicht keine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk, sondern nur mit dem Konzept...

Wie wir von Prof Dr. Klaus Thalheim erfahren, gibt es schädliche Zusammensetzungen, die in Schlacken entstehen, beispielsweise. Worum es dem Künstler ging oder geht bei der Intervention, ich weiß es nicht. Was ich sehe sind hübsch arrangierte Steinbröckchen, die alle unterschiedlich sind in Form Größe und Farbe, alle einen bedachten Platz finden auf dem barocken Tablett, und ich kann den Gedanken nicht mehr loswerden, es ist ein Teegedeck für Kinder oder gelangweilte Adlige am Hofe vom sächsische Fürsten, König von Polen. Ob nun Smaragde oder künstlich hergestellte Steine, who cares?

Sollte das Ganze darauf abzielen, dass wir aufschrecken welche Raubzüge der Mensch an seinen Mitmenschen und seine Lebensgrundlage vollzieht? Ob der Betrachter ins Grübeln kommen soll darüber, welche Veränderungen auf uns zukommen, ob wir bald auf einem unwirtlichen Kontinent leben; mag sein.

Fazit ist, die Kunsttheoretiker hatten ihren Spaß und die Künstler kamen nicht zu Wort. Ihre Perzeption bleibt hermetisch und ermöglicht keine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk, sondern mit dem Konzept, was dadurch berechtigt sein sollte?

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Bilder: https://gruenes-gewoelbe.skd.museum/ausstellungen/mohr-mit-mineralien-intervention-am-mohr-mit-smaragdstufe/

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