Rezension

Glass Muscle

Ich mag diese Ausstellung und stelle diese Aussage bewusst an den Beginn, um keine Zweifel aufkommen zu lassen.

Datum

01.06.2019

Autor/in

Daniel Rode

Künstler

Vajiko Chachkhiani

Ausstellungstitel

Glass Muscle

Ausstellungsort

Kunstverein Dresden

Ausstellungszeitraum

29.03. – 01.06.2019

Kuratorin

Verena Schneider

Bilder

Courtesy of the Artist and Daniel Marzona, Berlin

Diese Ausstellung hat gut getan und ich freue mich, dass ich sie mehrmals aufgesucht und angesehen habe. Jetzt schreibe ich darüber, kurz aber immerhin, und spüre die Lust an der Kritik. Kritik muss ja nicht immer negativ sein, der ursprünglichen (griechischen) Wortbedeutung nach bezeichnet Kritik lediglich des »Scheiden« oder »Trennen«, und doch ist die Krittelei, das Monieren naturgemäß oft einfacher als das positive Herausarbeiten von Vorzügen. Zum Glück ist die Ausstellung so präzise und stark, dass ich keine Probleme habe, mich auf das Positive zu konzentrieren.

Kuratorisch klug ist, dass alle drei etwa gleich langen Filme nacheinander auf allen Projektionen zu sehen sind

Die erste positive Überraschung ist, wie gut es funktioniert, drei inhaltlich komplexe Videoarbeiten in dem recht kleinen Raum nebeneinander, also nicht in separaten Kojen zu zeigen. Eine Projektion ist sichtbar größer als die beiden anderen, der Sound dieser ist im Raum zu hören, die beiden anderen Videos erfordern das Aufsetzen von Kopfhörern. Kuratorisch klug ist, dass alle drei etwa gleich langen Filme nacheinander auf allen Projektionen zu sehen sind, so ergeben sich immer wieder neue räumliche Beziehungen und jeder der drei Filme ist mit seinem Sound im Raum (ohne Kopfhörer) erfahrbar. Das unterstützt auch die Absicht des Künstlers, der die drei Arbeiten als Trilogie, also zusammengehörig ansieht. Die zweite positive Überraschung ist die hohe (technische) Qualität der Filme (s. "Cotton Candy", 2018 ): Sie sind offensichtlich sehr aufwendig, mit Schauspielern und professionellem Team und Ausrüstung gedreht. Keine Missverständnisse! Das ist keineswegs eine Bedingung für gute Video-Kunst, aber Präzision in der Umsetzung eines künstlerischen Vorhabens (egal in welchem Genre) kann gut sein und interpretatorischen Raum freimachen, den man sonst allzu leicht mit technischen bzw. formalen Fragen bereit ist zu füllen.

Wenn man alles zu Ende erzählt, macht man manchmal auch alles kaputt

Meine dritte Überraschung ist ambivalent und bezieht sich auch auf das Gespräch, das die Kuratorin Verena Schneider mit dem Berliner Galeristen Daniel Marzona, der »seinen« Künstler Vajiko Chachkhiani vertrat, Ende Mai in der Ausstellung führte. Es schwirrte als zentraler Begriff immer wieder „Narration“ im Raum. Das ist leicht nachvollziehbar, wenn man die Filme (s. "Heavy Metal Honey", 2018 ) gesehen hat, und doch weist der Begriff in der Ferne auch auf eine Schwäche: wenn man alles zu Ende erzählt, macht man manchmal auch alles kaputt. Die abgeschlossene Narration, die fertige Geschichte, kapselt allzu oft eine künstlerische Arbeit ein und raubt ihr die (interpretatorische) Freiheit, die sie doch eigentlich verteidigen sollte. Klar: Weglassen ist schwieriger als Dazutun, aber Kunst braucht die offene Frage, das offene Ende. Besonders deutlich zeigte sich das bei dem nicht in der Ausstellung gezeigten skulpturalen Werk des Künstlers, das im Rahmen des Gesprächs auszugsweise vorgestellt wurde. Je mehr ich über die Entstehungsgeschichte einer Arbeit erfuhr, desto schwächer wurde sie. Mein positives Urteil über den Künstler Vajiko Chachkhiani schmälert dies kaum. Er traut sich an dicke Bretter heran, in deren Holz (Welt-)Geschichte, kulturelle Symboliken (s. "Winter Which Was Not There", 2017 ), persönliche Schicksale und die Nutzung von authentischem Material eingewachsen sind, das ist großartig und bewundernswert. Und doch war es eine kluge und wohl nicht nur dem begrenzten Raum geschuldete Entscheidung, in Dresden nur die drei Videos zu zeigen. Gratulation an den Künstler Vajiko Chachkhiani, den Kunstverein Dresden und die Kuratorin Verena Schneider.

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